Mitten im Wald

Sasha rannte schon seit Stunden durch den Wald. Es war immerhin ihre große Leidenschaft. Sie trug eine normale Jeans, wenn man von all den Fransen, Löchern und Rissen absah. Darüber ein ärmelloses Kapuzensweatshirt. Die Kapuze hatte sie sich über den Kopf gezogen, damit ihr die langen, blonden Haare nicht all zu sehr im Weg umgingen. Ein rasendes Geräusch ließ sie inne halten und ihre eisblauen Augen durch den Wald streifen. Sie brauchte sich nicht zu verwandeln, um die Verfolgung aufzunehmen. Also sprang sie, nachdem sich Sasha auf den nächsten Baum geschwungen hatte, von Ast zu Ast, um dem Wolf zu folgen.
Gab es nun also doch noch mehr hier? Wurde auch Zeit. Als der Werwolf, welcher zwar größer war als sie, aber dessen Farbe nicht so strahlend weiß war wie ihre eigene, wenn sie denn verwandelt wäre, gerade ein Reh riss, runzelte Sasha fragend die Stirn. Und ich dachte, Jagen wäre innerhalb der Grenzen zum Schulgelände verboten. Dachte sie sich. Wenig später machte sich der Werwolf auf den Rückweg. Zwar konnte sie bei dieser Geschwindigkeit nicht mithalten, aber der Verte folgen war kein Problem.
Schon bald hatte sie ihn wieder gefunden. Mittlerweile war er wieder Mensch und sah gar nicht mal so schlecht aus. Sasha sprang vom Ast herab und fing den Aufprall geschickt ab. Dann vergrub sie ihre Hände in den hinteren Hosentaschen und ging langsam auf den Jungen zu. Dabei musterte sie ihn mit ihren eisblauen Augen. Einige ihrer langen, blonden Haarsträhnen waren bereits aus ihrer Kapuze heraus gerutscht. "He Lugaru! Das hier das Jagen verboten ist, ist dir bekannt, nehme ich an?" Vielleicht war es ihm ja auch einfach nur zu blöd, vorher das Gelände zu verlassen.

Die Winde rauschten über das Gras, welches sich zu ergeben schien. Es flatterte mit dem Wind, beugte sich tief in dessen Richtung. Wie ein Fluss, der nie aufhörte zu fließen. Die Halme bewegten sich, wie die Wellen, etwas auf, dann wurden sie erneut herunter gedrückt. Lange Zeit ging es so, jedenfalls kam es Jad' so vor. Plötzlich jedoch vernahm sein Unterbewusstsein eine Stimme. es hörte sich nach einer Einweisung an. Woher wusste dieses Mädchen, wie er an ihrer Stimme erkannte, dass er ein Werwolf war? Woher wusste sie, dass er gejagt hatte? Nun sah er auf. Die Blondine war blass, schien nach einem Vampir auszusehen, jedoch roch sie außergewöhnlich gut für Vampire. Kurz nur schüttelte Jaden seinen Kopf und strich mit seiner rechten Hand etwas über das kühle Gras. "Guten Tag ersteinmal." meinte er mit freundlichem Unterton und grinste kurz. Seine Augen musterten ersteinmal die blasse Gestalt vor ihm. "Ja, es ist mir bewusst, ich hätte aber auch einen Spender in der Mensa töten können." sagte er voller Ironie. Niemals würde er Menschen umbringen, das war eine Vorstellung, die ihm die Nackenhaare zu Berge steigen ließ. Der Monugu blieb locker sitzen. Dieses Mädchen hatte Styl, jedenfalls seiner Meinung nach. Schönheit lag ja bekanntlich im Auge des Betrachters. Aber selbst hatte Jad' keine Angst vor Strafen.
Der Wind blies ihm durch seine Haare, auch sie gaben der Strömung nach und wehten mit der Luft. Beherrschte sie vielleicht die Luft? Soviel wusste er von Vampiren: Sie hatten eine Elemantarkraft. Erde - Feuer - Wasser oder Luft.

Sie stich sich lächelnd die Kapuze vom Kopf und ließ dann die Hand wieder in der Hosentasche verschwinden. Bis jetzt fand sie den Jungen ja ganz nett. "Na das wollen wir ja nicht. Dennoch wäre es dir doch sicher ein Leichtes gewesen, außerhalb des Geländes zu jagen. Ist doch mit deinem Tempo nicht so schwer, den See zu umrunden." Sasha drehte den Kopf zurück in Richtung Wald und stieß einen sehnsüchtigen Seufzer aus. Wie gerne würde sie mal wieder so richtig trainieren. Nachdenklich strich sie sich mit der Zunge über einen ihrer spitzen Eckzähne und wand dann den Blick wieder zu dem jungen Mann. " Aber keine Sorge. Ich verpetz dich schon nicht." Dabei zwinkerte sie ihm zu und lächelte. Der junge Lugaru schien ja die Jagd sehr zu mögen, wenn er sich nichts um die Schulregeln scherte. Sie selbst hatte noch nie so richtig gejagt. Sehr zum bedauern der Ombra. Denn sie war eine der Schnellsten im Clan.

Jaden lauschte den nett klingenden Worten des Mädchens. Ihre Stimme war in den Ohren des Wolfes wie feinste Seide, wie die meisten Vampirstimmen. Zwischendurch nickte er nur verständlich. Als er jedoch gerade etwas entgegnen wollte, hörte Jad' einen Wolfschrei. Nur für Wölfe der Monugu-Abstammung zu hören. Wie es schien, war er in Gefahr oder hatte ein Problem und wie die Stammesregeln es wollten, musste er hin. Sie konnte den Grund nicht wissen. Sie sollte es nicht. "Ich - " er überlegte kurz, wie er es am Besten, aber noch mit am Wahrsten umschreiben konnte. " muss los, ein Freund braucht meine Hilfe. Er hatte mich darum gebeten." sagte er kurz und abgeschnitten, es klang, als ginge es um Hausaufgaben oder etwas Derartiges. Jaden sprang auf, zwinkerte dem Mädchen kurz zu, dann lief er los und sprang mit aller menschlicher Kraft hoch in die Luft. Noch im Flug zerrissen seine Klamotten und sein Körper wurde behaarter. Sanft landete der weiße Wolf wieder auf dem Boden. Schneller als ein Vampir rennen konnte sprintete er in den Wald - auf der Suche nach seinem Stammesbruder.

Die Blonde wusste nicht wirklich, was sie jetzt am besten machen sollte. Wenn schon jemand im Wald Hilfe brauchte, konnte ja nur ein Wolf dahinter stecken. Aber ob die Ombra einverstanden waren, wenn sie einem anderen Clan half? Auch wenn sie eine der Schnellsten im Clan war, so mochten einige sie doch nicht leiden. Und alles nur wegen ihrer Mutter. Mist verdammter. Ich kann mich nicht noch unbeliebter machen. Grummelte sie in Gedanken. Aber genau so wenig konnte sie hier einfach rum stehen. Wenn sie hinterher laufen würde, wäre es wohl um die Geheimhaltung ihrer Identität geschehen. Immerhin kannte so gut wie niemand Hybriden. Wie denn auch. Es war extrem selten, so etwas zu sein. Vor allem, da die meisten Werwölfe mit den Vampiren in Feindschaft lebten.
Doch damit war ihre Lage noch immer nicht geklärt. Also entschied sie sich, ihrem Clan nicht noch mehr Schande zu bringen, auch wenn sie nichts dafür konnte, und sich auf den Rückweg zu machen. Die Cheerleaderin zog sich die Kapuze wieder über den Kopf und sah zu dem bewölkten Himmel auf. Schade. Keine Sterne. Dachte sie sich. Den letzten Vollmond hatte sie ja leider auch verpasst. Die Blonde ließ ihre eisblauen Augen kurz zum See abschweifen. Ein sehnsüchtiger Seufzer entfuhr ihr. Wie gerne würde sie einfach am Ufer liegen und die Sterne betrachten. Nicht umsonst war ihr Spitzname Sky. Mit einem kaum merkbaren Kopfschütteln setzte sie sich in Bewegung und joggte zurück gen Akademie. Das ihr die langen, leicht gelockten, blonden Haare, welche ihr bis an den untersten Rippenbogen reichten, aus der Kapuze hingen, war egal. Solange sie ihr nur nicht beim Kämpfen im Weg waren.